Medienhüter: Ende der Rundfunk-Lizenzierung – „überholt und fragwürdig“
MONTAG, DEN 29. AUGUST 2011 UM 11:05 UHR
Der Direktor der Landesmedienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb), Hans Hege, hat sich dafür ausgesprochen, auf die bislang praktizierte Lizenzierung von Online-Videoangeboten und klassischen TV-Sendern künftig komplett zu verzichten – an deren Stelle sollen andere Kontrollmechanismen treten.
„Dass Medien grundsätzlich zulassungsfrei sind, ist im Pressebereich erkämpft worden, und sollte nun für alle Medien des Internetzeitalters gelten. So wenig besonders wertvolle Kapazitäten notwendig mit dem Rundfunk verbunden sind, ist es heute ein besonderer Einfluss auf die Meinung“, sagte Hege in einem Gespräch mit dem in Berlin erscheinenden Branchenblatt „ProMedia“ (aktuelle Ausgabe). Plattformen und Suchmaschinen hätten einen viel größeren Einfluss als ein digitales Zielgruppenprogramm, erst recht als ein typisches Web-TV-Angebot. „Spiegel Online ist einflussreicher als die digitalen TV-Spartenkanäle des ‚Spiegel“, sagte der Medienhüter.
Es gebe aber natürlich Verpflichtungen, die ein meinungsstarkes Medium eher zu erfüllen habe als eines mit einem Nischenprogramm. „Diese existieren aber auch heute schon. Wenn ein Sender einen Marktanteil von über 10 Prozent hat, muss er z.B. Sendezeiten für unabhängige Dritte bereitstellen“, erklärte Hege.
Der mabb-Chef bezeichnete zudem eine Regelung als „rechtlich fragwürdig und überholt“, wonach Online-Bewegtbildangebote mit mehr als 500 Zuschauern gleichzeitig als Rundfunk eingestuft werden. „Außerhalb von UKW wird mit der Rundfunklizenz nicht mehr die Zuweisung einer knappen Kapazität verbunden. Eine Lizenzpflicht kann und muss dort bestehen, wo die Aufnahme einer Tätigkeit wegen der damit verbundenen Gefährdungen einer besonderen Kontrolle bedarf, wie sicherlich im Gesundheits- und Finanzsektor“, betote Hege.
Springer: „Bild“ macht keinen Rundfunk
Eine ähnliche Auffassung vertritt auch Christoph Keese, der als Konzerngeschäftsführer Public Affairs beim Verlag Axel Springer arbeitet: „Die 500er-Grenze stammt aus der Zeit des Kabelfernsehens, als man die Fernsehverteiler in Wohnblocks vor dem Senderstatus bewahren wollte und dafür eine Bagatellschwelle schuf. Diese Regelung hat man auf das Internet übertragen, nur dass sie dort nicht mehr sinnvoll ist“, sagte der Manager in „ProMedia“.
Auch zur Lizenzpflicht eines Senders äußerte sich Keese kritisch: „In der analogen Welt, in der es weniger Sendeplätze als Bewerber gab und teilweise noch gibt, muss der Staat eine Auswahlentscheidung treffen und kann so eine Lizenzpflicht rechtfertigen. Ob eine Lizenzpflicht allein mit dem Schutz gegen publizistischen Missbrauch zu rechtfertigen ist, darf bezweifelt werden“, sagte der Manager. Ihm leuchte zudem nicht ein, wieso das restriktive Rundfunkrecht nun auf das Internet übertragen werden sollte.
Der Forderung der ARD-Vorsitzenden Monika Piel, wonach die Videos der „Bild“-Zeitung im Internet einer Rundfunklizenzierung bedürfen, erteilte der Manager eine klare Absage in „ProMedia“: „Ein Rundfunkprogramm ist eine nach einem Sendeplan zeitlich geordnete Folge von Inhalten. Ein solches Programm veranstalten wir derzeit nicht. Es gibt weder einen Sendeplan noch eine zeitlich geordnete Folge von Inhalten. Dass Bild.de hin und wieder eine SKL-Show, eine Hochzeit im englischen Königshaus und einige Fußballspiele live überträgt, macht es nach unserer Rechtsauffassung noch nicht zum Rundfunkprogramm im Sinne des Gesetzes“, sagte Keese.
Sein Wunsch: Jeder darf lizenzfrei Bewegtbilder ins Netz stellen, „jeder ist eingeladen, sich einer Selbstregulierung zu unterwerfen. Wer es nicht tut, setzt sich der Gefahr öffentlicher Ächtung aus. Jeder kann vor einem Gericht auf Grundlage der allgemeinen Gesetze verklagt werden. Jeder Kläger findet dort sein Recht.“ Das sollte auch fürs klassische Fernsehen gelten: „Spätestens, wenn Internet und Fernsehen technisch verschmolzen sind, muss man sich das fragen. Aber auch heute schon mutet der Regulierungsunterschied seltsam an“, erklärte Keese. Das gelte auch für Werberegelungen.
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